1. Zu den Bildern:
In den Bildern verwendet P.F. zuerst Skizzen und Fotos von Menschen, aber auch zufällig geknipste snapshots, oder imaginierte Alltagsansichten, die er künstlerisch stark verändert und malerisch oder figürlich ergänzt. Persönliche Eindrücke, popkulturelle Einflüsse, Naturszenerien, oder nur die rein abstrahierte Farbgebung bilden Grundlage seiner Malerei.
Die in Süddeutschland in den letzten Jahren gemalten Acrylbilder sind zum Teil autobiographisch, Menschen aus seinem Umfeld. Es sind präsente Portraits, aber auch Landschaften, die mit der barocken Tradition süddeutscher Kirchenmalerei und zugleich mit photorealistischem oder popkulturellem Zeitgeschehen spielen. Die gewellte Oberfläche (Pappe) funktioniert dabei teilweise wie ein “Wackelbild” aus den 60ger Jahren, das die Oberfläche in einem Zwischenbereich vibrieren läßt, und eine merkwürdige 3-D Perspektive entwickelt. In den neueren Arbeiten wird die Wellpappe durch das massivere Aluminium ersetzt. Die nur scheinbar autobiographischen Themen werden aber gewissermaßen objektiviert durch die Szenerie der Naturkulisse oder die kleinen Geschichten, die sich aus offenen und spielerischen Inhalten ergeben. Es sind malerische Erzählungen, die fast schauspielerisch inszeniert sind, und zum Teil auf gesellschaftliche Umbrüche hinweisen, so z.B. Licht-Schatten Malerei wie eine barocke lesende Frau, eine Frau am Auto in Hippie-Oufit, oder eine Straßenszene eines jungen teeny-Mädchen aus einer street-gang, eine Szene von Dschungel – Reisenden, die sich verlaufen haben, eine triste Nebellandschaft, geheimnisvolle Bergsteiger im Zelt, ein 50 Jahre altes Fotonegativ – all dies könnten Bilder wie Filmszenen sein, keine Portraits im Sinne einer wiedererkennbaren Repräsentation eines für sich allein stehenden Subjekts. Seine Bilder könnten sicher auch Filmstills sein, aber mit malerischer Abstraktion. Die Ausschnitte von Gesichtern erinnern an Partialobjekte von Filmplakaten – im Sinn von Deleuze.
In Berlin sind die Bilder farbiger geworden, noch stärker objektiviert, und geben eine Dramatik vor, die aber durchaus vielschichtig gemeint ist. Ein Innehalten in der Bewegung zeigt eine spannende Dynamik, wie eine zufällig angehaltene Filmspule. In den Zeichnungen (galaxy mud) sieht man auch die Nähe zu Kunst – Comics, etwa zu Möbius, und seinen fantastischen surrealen Science-Fiction-Welten. Diese Zeichnungen wirken trotz der surrealen Dramatik und den starken, leuchtenden Farben teilweise absurd und ironisch. Das abstrakte Zeichnen und Malen läßt aber auch Platz für kleine dramatische Welten. Die ausdrucksstarke Lebendigkeit der Figuren führt auch hier eine Art Eigenleben in teils erfundenen und zum kleinen Teil autobiographischen Abenteuern, seien sie weltlich, intellektuell oder aus politisch-sozialem Umfeld. Ein freier Bewußtseinsstrom wird immer sehr unterschiedliche Sinneseindrücke mit Erinnerungen aller Art kombinieren, wie sie beispielsweise W.G. Sebald beschrieben hat.
(C.T.M 2014)
2. Philosophie (P.F.)
1980 kaufte ich, gleich nach Erscheinen, auf einer Reise in Südfrankreich, in Avignon, „Mille Plateaux“, edition de minuit, von Gilles Deleuze und Felix Guattari. Ich war wahrscheinlich der erste deutsche Leser dieses Buches. Das große Werk erschien erst Jahre später im Berliner Merve-Verlag unter dem Titel „Tausend Ebenen“ in deutscher Übersetzung. Mille Plateaux, ursprünglich aus einer psychosozialen Diagnose der damaligen Umbrüche seit 1968 her entstanden, wirkt heute wie die Beschreibung der aktuellen postmodernen Welt, verbunden mit der Aufforderung zu positiven Denken und Kreativität. Das beschriebene dissoziativ-nomadische Denken, weg vom Subjekt, ins Alltägliche, Kosmopolitische, ist weitgehend die Beschreibung der Globalisierung und Vernetzung der heutigen offenen sozialen Gesellschaft, eine vorhergesagte Liberalisierung aller Lebensbereiche – mit neuen nicht vorhersehbaren Problemen.
Paradoxerweise hatte das Buch nach einigen Jahren auf mich einen dialektisch gegensätzlichen Effekt. Die französischen Poststrukturalisten sahen sich vor allem in einer Gegnerschaft zu Platon. Vielleicht ist es meine Herkunft aus einer Alpenregion, daß ich heute in Platon und dem altgriechischen Idealismus hauptsächlich eine Naturreligion sehe. Aus einem Samen entwickelt sich eine kleine Pflanze, die später zu ihrem „Idealbild“ einer Blume heranwächst. Später durch Witterungsumstände verblüht, ensteht im nächsten Jahr wieder eine neue Blüte und Knospe. Diese „Idealbilder“ wurden von Platon auch auf gesellschaftliche Tugenden übertragen, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mut etwa, ästhetisch auch Schönheit und Wahrheit, sozial die eher verhängnisvolle Idee eines „Idealstaates“. In der Rennaissance wurden diese Ideen zu neuem Leben erweckt, die Schönheit junger Frauen wurde von Künstlern sinnlich wiedergegeben, auch ideale Landschaften und Städte wurden von Künstlern geschaffen. Deswegen galt die abendländische Kultur lange Zeit als eine „Fußnote zu Platon“.
In der Pop-Kultur ist heute vielleicht beides vereint: Einer Idealisierung der Schönheit, der Jugend, Hedonismus, Utopien des Zusammenlebens, Utopien der ökologischen Zukunft, steht eine realistische Einschätzung der Wirklichkeit gegenüber, die eben tatsächlich nie „ideal“ sein wird – Es gibt auch Not, Vergänglichkeit, soziale Mißverhältnisse. Trotzdem ist es vielleicht im Bemühen der menschlichen Existenz vorhanden, daß wir „nach etwas Höherem“ streben, ohne daß wir deswegen überheblich zu sein brauchen.Tatsächlich hat der Versuch, idealisierte utopische Gesellschaften zu erzwingen, zu den großen Katastrophen und Kriegen des letzten Jahrhunderts geführt. Deswegen brauchen wir immer die Humanität einer nicht immer perfekten, lebendigen und weltoffenen Kultur. Nicht nur den Willen, etwas zu schaffen, was vielleicht zumindest geistig unvergänglich sein könnte.